Seit 50 Jahren gibt es in Deutschland das Freiwillige Soziales Jahr (FSJ) in den unterschiedlichsten Bereichen. Dieses Jubiläum haben die verantwortlichen Träger genutzt, um dem 1. Fachtag zum Thema „Was ist uns Bildung wert“ zu organisieren. Politikorange fragte Kirsten Mengewein, Bereichsleitung FWD Kultur und Bildung bei der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. und Kathrin Geissler, Geschäftsstellenleiterin des Landesjugendwerks der Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt e.V. nach ihren Zielen, Wünschen und eigenen Erfahrungen.
von Julia Hohn
Was sind die stärksten Beweggründe für einen Freiwilligendienst?
Kirsten Mengewein: „Durch eigene Erfahrungen sowie Auswertungen können wir sagen, das zu den häufigsten Gründen die Neuorientierung oder Überbrückung zählt. Auch die praktische Arbeit im Vergleich zu Schule oder Studium sind ein wichtiges Kriterium. Hinzu kommt, dass der Horizont erweitert oder einfach anderen Menschen geholfen werden möchte.„
Kathrin Geissler: „Auch Referenzen für den Lebenslauf spielen eine Rolle, aber die sind bei den meisten nicht der Hauptgrund.„
Welche Vorteile haben die Einsatzstellen von einem Freiwilligen?
Kirsten Mengewein: „Junge Menschen bringen Ideen und frischen Wind in die jeweilige Einsatzstelle. Sie hinterfragen auch einmal bestehende Strukturen und tragen viel dazu bei, dass positive Veränderungen entstehen. Außerdem können sich die Freiwilligen an eigenen Projekten ausprobieren und damit Eigenverantwortung übernehmen.„
Kathrin Geissler: „Gerade bei Wohlfahrtsverbänden ist es wichtig für Nachwuchs zu sorgen. Hier ist es wichtig, dass eine Bindung zum Träger entsteht, die für die zukünftige Berufswahl ausschlaggebend sein kann.„
Was wünscht ihr euch als Vertreter der Träger aus Sachsen-Anhalt für die Zukunft?
Kirsten Mengewein: „Vor allem muss sich auf politischer Ebene etwas ändern. Zum einen meine ich das Finanzielle. Die Freiwilligen erhalten lediglich ein Taschengeld, das den Lebensunterhalt nicht abdeckt. Auch bürokratische Wege, z.B. für einen Wohngeldantrag, zeigen sich als große Hürde.„
Kathrin Geissler: „Ein ganz wichtiger Faktor ist vor allem die Anerkennung von den Trägern, Einsatzstellen sowie dem Land und dem Bund. Von Vorteil wäre auch eine Vergünstigung oder kostenlose Mitfahrmöglichkeit bei den Städtischen Verkehrsbetrieben oder bei der Deutschen Bahn. Hierzu liefen zwar bereits mehrere Gespräche, doch eine abschließende Einigung ist leider nie zu Stande gekommen. Wichtig ist vor allem auch die mediale Berichterstattung. Aus Erfahrungswerten wissen wir, dass mit dem Bundesfreiwilligendienst mehr Menschen etwas in Verbindung setzten können, als mit dem FSJ, obwohl es dieses bereits seit 50 Jahren gibt und der BFD erst seit 2011 besteht.„
Woher kommt das?
Kathrin Geissler: „Der Bundesfreiwilligendienst kam sehr abrupt, jedoch von Bundesebene. Aus diesem Grund wurde es medialer und vor allem durch gute Marketingmethoden begleitet. Anders als beim FSJ. Hier obliegt die Öffentlichkeitsarbeit bei den einzelnen Trägern, wofür meist die Zeit fehlt.„
Kirsten Mengewein: „Wir sind durch die schnelle und strukturelle Umgewöhnung als Träger auch an unsere Grenzen gekommen. So mussten beispielsweise entsprechende Konzepte erarbeitet werden, da die Bundesfreiwilligen andere Bedürfnisse haben und unterschiedliche Regularien beachtet werden müssen.„
Wenn es das FSJ oder den BFD nicht mehr geben würde, dann …
Kathrin Geissler: „…würden rund 100.000 Menschen, die derzeit einen Freiwilligendienst in Deutschland absolvieren, in den verschiedensten Bereichen fehlen. Vor allem die Pflegebereiche sind auf viele Freiwillige angewiesen, die nicht immer fachliche Kompetenzen mitbringen, aber die Menschen auf persönlicher Ebene unterstützen.„
Kirsten Mengewein: „…wäre das Land um viele engagierte und tolle Menschen ärmer, die aus Überzeugung freiwillig sowie ohne Zwang arbeiten und keine große Gegenleistung dafür verlangen.